Reinhard Jeserschek wurde am 23. Mai 1957 in Graz geboren. Jeder, der ihn als Freund, Kollege, Patient oder Mitarbeitender kannte, war unmittelbar beeindruckt von seiner intensiven Lebenskraft, seinem glasklaren, visionären Denken und seiner rhetorischen Begabung. Viele Berufe wären ihm möglich gewesen, aber sein Schicksalsweg führte ihn mit vollem Bewusstsein zur Medizin.
Ärztliche Laufbahn und medizinisches Wirken
Nachdem er schon Jahre am Institut für Anatomie in Graz als Tutor tätig war, begann Reinhard Jeserschek 1982 die Ausbildung zum Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Nach dem Ende der Ausbildung zum Facharzt auf der Universitätsklinik arbeitete er ab 1988 in Durban, Südafrika und sammelte dort teils unter schwierigsten Verhältnissen seine chirurgische Erfahrung. Zurückgekommen in Graz übernahm er nach Jahren in der Chirurgie die Abteilung für Hand-, Rheuma- und Infektionschirurgie in der neu gegründeten Universitätsklinik für Orthopädie und galt hier als letzte Instanz für orthopädische Infektionschirurgie in der Steiermark.
2013 führte er sein Wirken in seiner Kassenordination sowie in Privatsanatorien weiter.
Reinhard Jeserschek war Orthopäde aus Leidenschaft. Er war ständig bemüht, spirituelle und übersinnliche Anschauungen in sein Wirken als Arzt einfließen zu lassen. Hier war er Brückenbauer zwischen anthroposophischer Heilkunst und streng wissenschaftlicher Schulmedizin, ohne sich dabei jemals wirklich in Widersprüche zu verwickeln.
Anthroposophische Medizin
Lange Jahre war Reinhard Jeserschek Lektor für anthroposophische Medizin an der Karl-Franzens-Universität in Graz und gab hier seinen Enthusiasmus und sein Wissen an zahllose Studenten weiter.
Er war ein stets strebender Geist und tief mit Rudolf Steiner verbunden. Bei seinen regelmäßigen und gut besuchten Vorträgen stellte er das wahre Bild des Menschen und die Beziehungen der Hierarchien zum Menschen und zu den Heilmitteln anhand von verschiedenen Krankheiten klar und interessant dar. Vielen Patientinnen und Patienten war er ein wichtiger Helfer, sowohl als Klinikarzt als auch in der anthroposophischen Arztpraxis.
Österreichische Patientenorganisation für Anthroposophische Medizin
Im Februar 1993 wurde auf Initiative von Reinhard Jeserschek der gemeinnützige, österreichweit tätige Verein (ÖPAM) in Graz begründet, der zum Ziel hatte, die Interessen von Patientinnen und Patienten zu vertreten, welche die Anthroposophische Medizin und ihre Therapieformen fördern und anwenden wollen. Dies war der Ausgangspunkt von diversen öffentlichen Aktionen wie Bürgerinitiativen zur Erhaltung von gefährdeten Arzneimitteln und damit ein Beitrag zu patientenorientierten Entwicklungen im österreichischen Gesundheitswesen.
Im Jahr 2000 war die österreichische Patientenorganisation Mitbegründerin der EFPAM (European Federation of Patients for Anthroposophic Medicine) und damit in Brüssel vertreten. Heute sind weitere 11 europäische Länder Mitglied der EFPAM.
Forum 2001
Reinhard Jeserschek war es ein Anliegen, dem Jahr 1998 als dem Jahr der dritten Offenbarung der apokalyptischen Zahl etwas entgegenzusetzen: Er gründete das Forum 2001 als Gruppe ohne Vereinsstatus. Nach Absprache mit dem damaligen ersten Vorsitzenden der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, Manfred Schmidt-Brabant, wurde sie/das Forum 2001 direkt an das Goetheanum angeschlossen, widmete sich intensiv den Schriften und Vortragszyklen Rudolf Steiners und der Hochschularbeit und pflegte inhaltlichen Austausch mit der Landesgesellschaft in Österreich, aus welchem Strategiekonferenzen mit Anthroposophinnen und Anthroposophen aus allen Lebensbereichen in ganz Österreich hervorgingen.
Seitdem wird im Forum wöchentlich und ganzjährig an Rudolf Steiners Werken, zwischendurch auch an aktuellen Themen unter anthroposophischem Blickwinkel gearbeitet. Ein sehr spezielles, in die Zukunft gerichtetes Projekt war der Bau einer Zivilisation im Jahre 2006, bei dem sich jedes Mitglied über ein ganzes Quartal einem fürs Überleben essentiellen Thema widmete, um als Gruppe für den Fall eines Zusammenbruchs der modernen Zivilisation gerüstet zu sein.
Reinhards äußerst lebenspraktischer Zugang zur Geisteswissenschaft, seine inhaltlichen Ergänzungen zu den jeweiligen Vorträgen, unterstützt durch großartige Tafelzeichnungen, verliehen den Forumabenden stets eine besondere, spirituelle Note.
In den letzten Jahren erweiterte Dr. Reinhard Jeserschek seine Vortrags- und Arzttätigkeit auf Deutschland, Namibia und Lanzarote und setzte damit weitere spirituelle und heilende Akzente.
Er hatte die Gabe Brücken zu bauen – in der Medizin und auch im Freundeskreis. Als gesellschaftlicher Mittelpunkt und integrative Gestalt gelang es ihm seine grundlegend verschiedenen Freundeskreise miteinander zu verbinden – vor allem im Rahmen von phantastischen Festen, deren Organisation er niemals überdrüssig wurde. Er war provozierend und polarisierend mit einem selbstironischen Unterton und einer tiefgreifenden Liebe zum Leben und den Menschen.
Am 16. April 2023 verließ Reinhard Jeserschek im Kreis seiner Familie den irdischen Plan.
Gabriele Molterer-Mayer, Gilbert Prilasnig, Mathias Glehr, Peter Molterer, Renate Sippel