Corona und die Welt der Kräuter und Gewürze
Text: Ute Goth
Die Corona Erkrankung, zu deren Symptomen auch ein vorübergehender Geruchs- und Geschmacksverlust gehören kann, lenkte die Aufmerksamkeit in den letzten Monaten immer wieder auf diese beiden Sinne des Menschen. Was hat es mit ihnen eigentlich auf sich? Dr. Gerhard Schmidt erarbeitete in seinem Werk „Dynamische Ernährungslehre Band I“ erschienen 1975, wesentliche Aspekte zu dieser Frage, die in verdichteter Form hier wiedergegeben werden sollen:
Geruchswahrnehmung
Was der Geruchswahrnehmung zugänglich sein soll, muss sich in gasförmigem Zustand befinden. Ein Stoff muss die Fähigkeit haben sich rasch vom festen und flüssigen Zustand in die Leichte des Atmosphärischen, wo Licht, Wärme und Luft wogen, abzuheben. Das ist die Sphäre der Düfte, der Aromen, die wir in natürlicher Form aus dem Pflanzenreich empfangen. Doch was veranlasst eine Pflanze zu duften? Nicht Blatt- oder Wurzelzone vermitteln diese Fähigkeit, es ist der in Licht und Wärme sich ereignende Blühimpuls, wo sich ätherische Öle auflösen und in ihnen Harze, Wachse und Fette. Salze, der Schwere und der Formgestaltung zugetan, spielen dabei keinerlei Rolle. Hier lösen sich die Düfte und verstrahlen in alle Richtungen bis ins Unmess- und Unwägbare zerstäubt.
Rudolf Steiner schilderte, wie die Pflanzenblüte danach strebt, sich mit der Seele des Sonnenstrahles zu vereinigen und mit dieser dem Reinsten, dem Geist. In der Aromasphäre kommt „möglichst nahe an das Materielle ein Geistig-Astralisches heran. Die Materie ist am meisten geistig im Dufte.“ Und umgekehrt: „Wenn … der Geist … am tiefsten heruntersteigt zu der physischen Welt, dann entsteht die Geruchswahrnehmung.“ Eine Wechselwirkung wird hier angesprochen zwischen irdischen und außerirdischen Kräften. Die aromabildende Pflanze wird von bestimmten Kräften ergriffen und antwortet auf ihre Art spezifisch darauf. Sie wird selbst ein Riechorgan mittels dessen sie mit der Welt kommuniziert. „Die Pflanzen riechen den Weltraum und richten sich danach ein … So nimmt ein Veilchen sehr schön wahr gerade dasjenige, was z.B. ausströmt vom Merkur und bildet danach seinen Geruchskörper, während der Stinkasant, Teufelsdreck, sehr fein wahrnimmt, was vom Saturn ausströmt … so nimmt jedes Wesen in der Pflanzenwelt, wenn es zum Riechen kommt, wahr, was aus der Planetenwelt herein zu riechen ist.“ Aber auch Pflanzen, die für unser Wahrnehmungsvermögen nicht riechen, haben in Wirklichkeit einen Geruch. Sie riechen frisch. Dieses Element der Frische kommt von der Sonne. Dies hat eine wesentliche Bedeutung für die Ernährungshygiene, denn vor allem für Obst und Gemüse ist Frische das bedeutendste Qualitätsmerkmal. Je frischer, je aromatischer eine Pflanze duftet, desto intensiver wird sie mit den kosmischen Kräften kommunizieren.
Gerade das ist es, was wir für die Ernährung brauchen und womit wir letztlich den eigentlichen Verdauungs- und Ernährungsprozess unterhalten und woraus sich der Wert der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, deren Produkte wiederum zu echten Aromaträgern werden, erklärt. Denn dieser ist nicht, wie man heute denkt, nur von den Inhaltsstoffen bestimmt, sondern von der Fähigkeit zu aromatisieren! So schilderte Rudolf Steiner, dass es für die Gesundheit eines Tieres maßgeblich ist, dass es sich seine Nahrung selbst, nach seinem Geruchsorgan, den kosmischen Aromakräften folgend – frei aufsuchen kann!
In der feinen Fähigkeit des Witterns der Artgenossen welches der Erhaltung der Art dient, offenbart sich die Gruppenseele einer Tierart. Hier wird der Geruchssinn zum Instrument ihrer übersinnlichen Organisation. Beim Menschen hat das Geruchsorgan – so schildert es Rudolf Steiner – eine großartige Metamorphose durchgemacht in Richtung auf die Erlangung von Bewusstseinsfähigkeiten. Die Riechsphäre, das Riechhirn in der Hirnrinde ist verkümmert, doch ist das Organ zu mächtiger Bildung des Stirnhirnes geformt, welches die typischen Züge der Menschlichkeit verleiht. Das Riechhirn wurde zum Denkhirn, das nun selbst die Eindrücke der Welt verarbeiten und durch das Denken selbst und unmittelbar mit dem Kosmos kommunizieren lernt. „Alle unsere Gedanken sind eigentlich umgewandelte Gerüche.“ Doch das menschliche Geruchsvermögen ist immer noch beträchtlich. So kann unsere Nase erstaunliche 5 Millionstel Gamma (1000stel mg) Vanillin riechen! Das sind Stoffmengen, die sich chemisch nicht mehr nachweisen lassen. Es ist also der erwachsene Mensch auf eine gute Anregung durch aromatische Nahrung als Instrument für das Gedankenbilden, das Kommunizieren mit Erde, Kosmos und den Mitmenschen angewiesen!!!
Unsere Nahrung in Bezug auf Umwelt und Anbau
Gemessen an der Tatsache, dass unsere heutige Nahrung sowohl vom Anbau wie von der Verarbeitung her ständig an Aromakräften einbüßt oder Aromen sogar weggezüchtet werden oder künstlich in Reifehäusern herbeigeführt werden, gewinnt diese Einsicht an enormer Bedeutung. Was geschieht mit den Pflanzen durch unsere heutigen Produktionsmethoden? Können sie nicht mehr genügend mit den kosmischen Kräften zusammenleben? Und was richtet der Mensch an, wenn er die Atmosphäre, die auch eine Aromasphäre ist, mit Abgasen und Elektrosmog verschmutzt? Ist nicht längst diese Sphäre vergiftet und die darin lebenden Wesen mit ihr erkrankt? Von dieser Seite her erlangen die heutigen weltweit auftretenden Erkrankungen noch ganz andere Perspektiven.
Welche Möglichkeiten gibt es nun sich an der Welt der Aromen zu schulen, zu beleben und zu erneuern? Zum Glück gibt es Nahrungsmittel aus biologisch-dynamischem Anbau die leicht erhältlich sind: Demeter Getreide und Milch! Beim Gemüsekauf empfiehlt es sich nach samenfestem Gemüse zu fragen. Würzen sie ihre Speisen jetzt im Frühling mit frischen Kräutern. Denn diese, wie auch getrocknete Gewürze tragen die meisten Aromen in sich. Zurückhaltung ist geboten mit dem Salz, denn es verwirkt das feinere Wahrnehmen der vielfältigen Aromen.
Kräuter und Gewürze in der Küche
Geisteswissenschaftlich-anthroposophische Erkenntnis kann zu den vielen Aspekten im Hinblick auf Lehre und Verwendung von Kräutern und Gewürzen in der Küche ganz wesentliche, dem modernen Bewusstsein aufschlussreiche Möglichkeiten bieten. In jener Region, in welcher die Pflanze ihre Aromafähigkeit entfaltet, dem hellen Sonnenlicht im Blühen ganz aufgeschließt, ist es den Gewürzkräutern möglich, sich nicht dem Impuls des Verströmens hinzugeben. Sie durchdringen stattdessen ihre Organe, die dem Irdischen mehr zugeneigt sind mit Aromen und Geschmack, mitunter bis in die Wurzel. Der Name Gewürz kommt von Wurzel. Sulfurisches wird an einen merkuriellen und Sal-Prozess gebunden. Da im Menschen die Kräfte der Pflanze umgekehrt eingreifen, wirkt Blütenhaftes im unteren Menschen (Kamille bei Bauchweh), während Wurzeliges die Nerven-Sinnes-Organisation ergreift (Radieschen in Prüfungsphasen). Die rhythmische Mitte wird durch Blatthaft-Stengeliges gestärkt. Dieser Zusammenhang des dreigliedrigen Menschen mit der dreigliedrigen Pflanze gibt bereits Anwendungshinweise für den Einsatz der Kräuter in der Küche.
Während für das Kind die Milch das passende Nahrungsmittel ist, um sich in rechter Weise auf der Erde einzuleben, braucht der erwachsene Mensch gerade in der heutigen Zeit regelmäßige Anregungen, um einer vorzeitigen Erstarrung und Verschlackung seiner Organe entgegen zu wirken. Verdauung und Leibaufbau können durch Wärme -und Lichtkräfte unterstützt und Altersverhärtungen vorgebeugt werden. Verkrampfungen im Wechsel mit Erschlaffung sind Zeitphänomene auch in diesem Bereich. So wie es selbstverständlich ist die Muskeln in Bewegung zu halten, damit sie kräftig bleiben, ist diese Übung auch im Bereich der Verdauung nötig, worauf Rudolf Steiner ausdrücklich hinweist. Vollkorngetreide sorgt für den nötigen Widerstand, Gewürze regen die Organfunktionen an und wirken Verkrampfungen entgegen. Beispielsweise wirkt eine Mahlzeit mit Reis und Butter belastend auf Herz und Kreislauf, was unter Zugabe von Paprika aufgehoben wird. Auch die Gerinnungsneigung des Blutes wird durch Nahrungsaufnahme erhöht und kann diese Tendenz durch Gewürzbeigaben abgeschwächt werden.
Die meisten heute in der Küche verwendeten Kräuter gehören zur Familie der Lippen- oder Doldenblütler. Alle besitzen aufgrund ihres hohen Gehalts an ätherischen Ölen die Geruchsmoleküle aus der Familie der Terpene, welche nachgewiesenermaßen in der Lage sind, das Tumorwachstum zu stören. Krebsprävention kann also auch eine Frage des guten Geschmacks sein.
Wenn frische Kräuter direkt aus dem Garten den Weg in die Küche finden ist das natürlich am schönsten. Jetzt ist die Zeit hinauszugehen und sich an ihrem Werden im Frühling zu erfreuen! Alljährlich erscheinen noch vor dem intensiv duftenden Bärlauch zuallererst Brunnenkresse und Gänseblümchen sowie die rundlichen Blättchen des Scharbockskrauts. Es folgen zarte Brennesselblätter und aromatischer Giersch und das Milzkraut. Etwas später kommen Kerbel, Spitzwegerich, Birke, Ehrenpreis, Vogelmiere, Waldmeister, Sauerampfer, Schafgarbe und natürlich: Der Löwenzahn!! Kräuteröle, Kräutertopfen, Kräuterdressings, Salatbeigaben und Suppen können daraus hergestellt werden. Geschmacklich künden gerade die frühen Kräuter von einer wunderbaren unspezifischen Frische. Es ist dies wie wir von Rudolf Steiner wissen, der Duft, der von der Sonne – unserem Zentralgestirn – kommt, von jener Kraft, nach der wir uns gerade im Vorfrühling sehnen und derer wir gerade jetzt vermehrt bedürfen.
Viele Möglichkeiten bieten sich, die Welt der Gewürze zu erkunden. In der nächsten Ausgabe des Wegweisers soll im Anschluss an die Betrachtung des Geschmackssinns auf die Kräuter vom Gesichtspunkt der vier menschlichen Temperamente geblickt werden.
DER GESCHMACKSSINN
So, wie der Geruchssinn sich in einer Art Aromasphäre entfaltet, tauchen wir mit dem Geschmackssinn in das Element des Wässrigen ein und erleben uns dadurch im Bereich der ätherischen Bildekräfte. Was wir schmecken wollen, muss löslich sein. Schon in der Mundhöhle bestimmen Qualität und Ausmaß der Speichelflüssigkeit wie intensiv der Geschmackseindruck ist. Von dem Nahrungsmittel kommt uns hier diese Löslichkeit entgegen, indem in einer Pflanze chemische Prozesse als Flüssigkeiten in Erscheinung treten, als Absonderung oder das Gewebe durchsetzend, Letzteres etwa bei Salbei oder Melisse. Je nachdem eine Pflanze sich mehr dem Astralisch-Aromatischen im Duft, oder mehr im ätherischen Bereich aufschließt, wird sie auch im Menschen einen anderen Prozess anregen. Geschmack und Geruch als chemische Sinne sind die wichtigsten Kontrollorgane zur Prüfung von Speise und Trank. Ungeeignetes kann jetzt noch vor dem Schlucken abgewehrt werden. Auf Zunge und Gaumen sind die Geschmacksknospen nicht gleichmäßig verteilt. Rezeptoren für süß-bitter-salzig-sauer sind unterschiedlich verdichtet und angeordnet. Am wenigsten empfindlich ist der Mensch für den süßen Geschmack. Um ihn schmecken zu können, muss Zucker in einem Verhältnis von 1 : 200 gelöst sein, Salz in 1 : 400, sauer in 1 : 430 000, bitter in 1 : 2 Millionen wahrgenommen werden. Wir brauchen also viel mehr Zucker als alles andere – hat er ja auch eine besondere Beziehung zur menschlichen Ich-Organisation – während das Saure den menschlichen Astralleib engagiert. Bitteres ist häufig ein Bestandteil von giftigen Substanzen und weist bereits auf medizinische Anwendungsmöglichkeiten hin.
Der menschliche Geschmackssinn ist den meisten Tieren weit unterlegen. Blicken wir auf das Medium in dem sich der Geschmack entfaltet, ist es das Wasser. Als Lebensmilieu der Fische ist es für diese eine Lösung von Geschmackssubstanzen. Beim Fisch befinden sich die Geschmacksknospen auch in der äußeren Körperhaut bis in die Schwanzspitze. So kann er aus großer Entfernung schmecken und setzt unmittelbar seine Bewegungsorgane in Gang. Fische richten sich bei ihren Wanderungen nach ihrem Geschmack indem sie z.B. den unterschiedlichen Salzgehalt des Wassers fein differenziert wahrnehmen. Schmetterlinge schmecken feinste Zuckerspuren in den Fußspitzen und leben ganz im Umkreis als dessen Glieder. Erst die Warmblütler verinnerlichen den Geschmack wie sie auch ihren Seelenorganismus verinnerlichen. Rudolf Steiner: „ …und das ist das Interessante am Menschen, dass sein Geschmack sich in Gefühlskräfte verwandelt.“ So wie sich das Riechhirn im Menschen zum Denkhirn wandelte, haben wir es wiederum mit einer Metamorphose zu tun: wie das innere Gefühlserleben sich steigert nimmt das Geschmacksvermögen ab und bekommt neue Aufgaben:
Einerseits setzt sich das Schmecken in den Verdauungstrakt, dem unteren Menschen, fort. Ein gutes Verdauen beruht auf der Fähigkeit mit dem ganzen Verdauungstrakt zu schmecken. „Jedes Organ hat sein bestimmtes, spezifisches Geschmackserlebnis…Leber, Lunge, das Herz… und auf der Entwicklung dieser Organgeschmäcke beruht sogar die normale Entwicklung des Menschenlebens …. irgendeine Pflanze schmeckt nur einem ganz bestimmten Organ des Menschen… .“
Wodurch wird diese Entwicklung angeregt und unterhalten? Durch schmackhafte Nahrung! Feine Unterschiede schmecken können ist eine Prophylaxe gegen den Verlust der Organgeschmäcker, welches gleichbedeutend ist mit dem Auftreten von Organerkrankungen.
Eine zweite Aufgabe der Metamorphose des Schmeckens richtet sich nach dem Nerven-Sinnes-Organismus, dem oberen Menschen hin. Dort macht sie wiederum eine Wendung nach außen durch: „Wir vollziehen im Sehen ein metamorphosiertes Schmecken.“ Beim Sehen drängen wir unser Innenleben wieder etwas zurück. Nur dadurch können wir eine objektive Wahrnehmung der Umwelt erhalten, die wir wiederum im Denkprozess individuell verinnerlichen können. Das Gehirn tritt an die Stelle der Organgeschmäcke und verobjektiviert und individualisiert als Instrument der Bewusstseinsbildung die Wahrnehmungswelt. Diese Metamorphose müssen wir selbständig vollziehen, verfeinern, steigern lernen. Dafür bedürfen wir einer neuen Hygiene des Essens. „Das was uns bei einer schmackhaften Nahrung entgegen strömt (ist) gefühlsartiger Natur“, weil „…beim Schmecken Gefühl (durch die Geschmacksempfindung des Menschen) und Gefühl (der Pflanze die den Geschmack verleiht) in Wechselwirkung kommt.“ Dabei schafft die Geschmacksempfindung im Flüssigen die Abbilder des Astralischen in dem ätherischen Milieu.
Die geschilderten Vorgänge beschreiben nicht bloß eine Organumbildung, sondern vor allem eine Bewußtseinswandlung. Rudolf Steiner macht in dem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass der Mensch Gefahr läuft wiederum heruntergezogen zu werden in ein animalisches Element durch eine Ernährungsart mit Vorliebe für Fleisch und Alkohol. „…in demselben Maße wird das Wahrnehmen unmoralisch, in dem man die höheren Sinne hinunterdrückt zum Charakter der niederen Sinne. „…Dann hören sie gar nicht die Gedanken und Worte des anderen, sondern sie nehmen sie so wahr, wie z.B. eben Moselwein, oder Essig oder ein anderes Getränk oder eine Speise wahrgenommen wird.“
Unsere Nahrung entbehrt immer mehr der kosmischen, Geschmack und Aroma erzeugenden Bildekräfte und läuft Gefahr selbst zum Schrittmacher einer solchen Erniedrigung des Menschen zu werden. Wie können wir aber umgekehrt diese Bildekräfte immer wieder aufs Neue einladen die genannten Metamorphosen anzuregen?
Ein erster bedeutender Schritt kann dazu gemacht werden, indem eine möglichst bewusste Hinwendung auf die Wahrnehmung der verschiedenen Geschmäcker geschieht. Doch welche Empfindungen des Schmeckens kennen wir eigentlich?
Von den vier Hauptgeschmäckern wurde bereits gesprochen. Rudolf Steiner notierte eine siebenfache Möglichkeit der Geschmackswahrnehmung:
- Süßer Geschmack: Süßholz, Fenchel, Süßmost, gute Weintrauben
- Raser Geschmack: Pfeffer, Zimtrinde, Pmpernell (ras: beißend)
- Brennender Geschmack: Spanischer Pfeffer, brennender Hahnenfuß
- Bitterer Geschmack: Myrrhe, Aloe, Enzian, Veronica, Wermut
- Saurer Geschmack: Erdbeer, Sauerkirschen, Limoniensaft (Zitrone)
- Rauher Geschmack: Schlehen
- Anziehender Geschmack: Tormentill, Schlehenwurzel
Heute haben wir für eine derart fein differenzierte Geschmacksskala kaum mehr ein so differenziertes Empfinden. Es wundert daher nicht, dass im Mittelalter offenbar noch subtilere Unterscheidungen möglich waren: Stechend wie in unreifen Mispeln, Eichel und Gallapfel; Fettig wie in Schmalz; Fad(flau) wie in Kürbissen, Wassermelonen und Melonen. Anstelle gibt es heute eine artifizielle Wortkreation, die dem Umstand Rechnung trägt, dass in industriell erzeugten Lebensmitteln chemisch hergestellte Geschmacksverstärker gang und gäbe sind: „Umami“. Dieser Geschmack wird mit Glutamat erzielt und nicht als einzelner Geschmack erfahren, sondern mehr als ein kompliziertes Geschmacksbündel.
Rudolf Steiner spricht davon, dass der heutige Mensch nicht zum Asket werden soll. Vielmehr soll er durch die Sinne hindurch dazu kommen, sich z.B. etwas von einer Speise sagen zu lassen. Schon die ersten Ankündigungen, dass es zum Essen kommen wird, können dabei bewusst wahrgenommen werden: es gibt vertraute Geräusche aus der Küche, es dampft vielleicht warm, der Duft verrät möglicherweise schon, welche Speise es sein wird. Der Anblick des schön gedeckten Tisches – eine wichtige Kulturtat – kann eine gehobene freudig-ernste Stimmung erzeugen. Der Blick auf die angerichtete Speise dient der Übung des Staunens über das, was uns die Natur an Farbe und Formen in den Lebensmitteln spendet und wie der Mensch sie zu veredeln imstande ist. Dann stellt sich möglicherweise ganz von selbst ein Bedürfnis ein, seiner Ehrfurcht in Andacht mit einem Tischgebet nachzukommen. Je einfacher die Speisen zubereitet sind, je unverfälschter ihre spezifischen Noten zum Ausdruck gebracht sind, desto anregender ist es sich ihrem Eigensein zu widmen. Nach verhältnismäßig kurzen bewusstem, ichhaftem Wahrnehmen im Mund taucht das Geschmackserlebnis erst in träumende, dann in schlafend-unbewusste Bereiche des Körpers ein. Im wachen Schmecken sind Sympathie und Antipathie als seelische Grundkräfte gegenwärtig und entscheiden, ob überhaupt geschluckt wird. Es tauchen also Ich und Seele in den Flüssigkeitsleib des Menschen ein. Jeder Grundgeschmack hat seinen eigenen Nachklang und seine eigene Verweildauer im bewussten Erleben. (Rudolf Steiner spricht davon, dass viel für die Gesundung gewonnen ist, wenn Antiappetite überwunden werden können). Bei gesteigerter Aufmerksamkeit ist es übend möglich, innerlich zu beobachtende Bewegungen und Geschmacksgesten zu benennen z.B. als Farberlebnisse oder Wärme- Kälteeindrücke. Durch wiederholtes Üben offenbart sich mitunter der „Geschmacksleib“ eines Produktes als Zusammenklang verschiedener Grundgeschmacksarten. So wird man mit der Zeit gewahr werden können, dass eine gute Sättigung nicht so sehr durch die Menge des Essens, sondern durch den lebendigen Geschmacksleib der Nahrung zustande kommt. An dieser Stelle muss auf Produkte aus Biologisch-dynamischem Anbau hingewiesen werden! Kinder haben es gerne wenn beim Essen einer Speise daran gedacht wird von wo die Zutaten kommen, welche Menschen an der Erzeugung beteiligt waren, welche Wege zurückgelegt werden mussten, oder die Berufsgruppen zu finden, die nötig sind, bis das Nahrungsmittel vor Ort erworben werden kann. Doch ungezählte Kinder erfahren heutzutage das gerade Umgekehrte: sie wachsen mit minderwertigem, manipuliertem Geschmack auf und können nicht mehr erfahren, wie richtige Früchte eigentlich schmecken. Dann bleibt trotz übermäßigem Völlern eine undurchschaubare Leere zurück, die mit allen möglichen Genussmitteln ausgefüllt werden will. „….Denn es beruht auf der normalen Entwickelung dieser Organgeschmäcke überhaupt die normale Entwickelung des Menschenlebens.“ Rudolf Steiner äußerte sich zur geistigen Seite der Ernährung, indem er darauf aufmerksam macht, dass sich die Erlebnisse daran nur mit größter Schwierigkeit in Gedanken fassen lassen. „…gerade die alltäglichen Dinge lassen sich am schwersten in das geistige Leben einbeziehen…“ „Allerdings gibt es einen Weg, um nach und nach diese nicht durch äußere stoffliche Notwendigkeit bloß geforderten Dinge zu spiritualisieren. Denn es gibt eben die Möglichkeit, diese Dinge so anzusehen, dass wir uns sagen: Wir essen diese oder jene Frucht, und wir können uns durch unsere spirituellen Erkenntnisse immerhin eine Vorstellung bilden, wie, sagen wir, ein Apfel oder irgendeine andere Frucht zum Ganzen des Universums steht. Das dauert aber lange. Dann gewöhnen wir uns zu beachten, welchen Anteil zum Beispiel der Geist hat an dem Reifen einer Frucht in den Sonnenstrahlen. Daher vergeistigen wir auch die stofflichsten, alltäglichen Prozesse… die wenigsten Menschen können in unserem Zeitalter dazu kommen, über das Essen vollgültig zu denken.“