„Was Kunst ist, wissen Sie ebensogut wie ich, es ist nichts weiter als Rhythmus.“
Kurt Schwitters, 1887-1948
Was haben Walzer und Ländler, Zwiefacher oder Csárdás mit dem Schritt,Trab und Galopp unserer Pferde zu tun? In allen Rhythmen der Volkstänze finden wir die den drei Gangarten Schritt, Trab und Galopp entsprechenden Taktarten 4/4-Takt, 2/4-Takt und 3/4 Takt wieder.
„In die Motorik der Pferde sind sie als eingeborene Rhythmen eingeschrieben. So werden diese Tiere zu den natürlichen Trägern von Rhythmus und Takt. (…) Schritt, Trab und Galopp sind die drei Urrhythmen alles musikalischen Daseins; das Pferd ist ihr Leib. (…) Das Pferd gibt den Rhythmus, der Mensch die Melodie, und zusammen werden sie zu einer harmonisch-musikalischen Gestalt. Hierin liegt eines der zahlreichen Geheimnisse verborgen, die der Lust und Freude des Reitens eingeschrieben sind. Beide, Mensch und Tier, werden klingend erlebbare Musik.“
Dies schrieb 1959 Karl König in seinen ursprünglich für die Monatszeitschrift „Die Drei“ verfassten Skizzen, die als Beiträge für eine „künftige Zoologie“ gedacht waren, heute nachzulesen in der überaus lesenswerten Schrift „Bruder Tier – Mensch und Tier in Mythos und Evolution“.
Durchaus ungewöhnlich und fast revolutionär ist auch seine Aussage, dass „das Pferd erst im Menschen, der es besteigt und sich von ihm tragen lässt, seine Erfüllung (findet). So schön auch Pferde in der Freiheit sein können: ohne den Menschen scheinen sie unvollständig und nackt zu sein. Erst durch ihn erhalten sie ihre Erfüllung und ihre ihnen gemäße Vollkommenheit.“ Das Bild des Zentauren oder der Amazone scheint sich hier wiederzufinden.
Es ist wichtig, sich den Unterschied zwischen Takt und Rhythmus klarzumachen: Insbesondere die Veränderung des Rhythmus innerhalb der Gangarten (= Takt) ist wichtig für die Ausbildung des Pferdes (Beispiel Trab – Passage). Kadenz (= Rhythmus) führt zu mehr Lastaufnahme der Hinterhand und gymnastiziert das Pferd in Richtung Versammlung. Der Reiter formt das Pferd! (Zitat nach dem gleichnamigen großen Standard-Werk von Udo Bürger).
Dass das rhythmische Element etwas Heilsames ist, wird einem spätestens klar, wenn man auch ohne Wecker immer zu gleichen Zeit aufwacht. Banal und doch elementar: In den 6 Jahren, die wir nun hier den „Engelwirth“ bewirtschaften, hat sich eine stützende, in ihrer unsichtbaren und doch simplen Struktur wirkende Lebensweise gebildet, die es den Lebewesen in einer von der Natur gesegneten Landschaft, dem südoststeirischen Grabenland, leichter macht, zu (über-)leben. Ebenfalls simpel: Die zeitgesteuerte Heuraufe ermöglicht eine intervallhaft abgestimmte Portionierung von Raufutter, was die Pferde als absolute Tagesstruktur neben Tag und Nacht akzeptieren. Die allgegenwärtigen Veränderungen bei Sonneneinstrahlung, Niederschlägen und Extremwetter-Verhältnissen machen jedoch bescheiden, und die gemeinsame Erfahrung mit den Tieren, sei es beim Reiten oder beim Ziegenausflug, belohnen für so manchen langen Tag: Die Tiere werden als Freunde/Partner/Schüler oder einfach nur Kameraden verstanden.
Das erlebbar zu machen, könnte eine neue Stufe im Wachstum des Engelwirth werden: Für den Oktober und November sind jeweils zwei Hof-Tage geplant, an denen nach Anmeldung und vorheriger Absprache im Sinne des „Ins-Tun-Kommens“ interessierte Menschen die Arbeit und den Alltag mit Pferden und Ziegen kennenlernen können. Einführungen in Haltung, klassische Ausbildung und Basis-Wissen beim Pferd kann vermittelt werden sowie bei guter Witterung steht eine Wanderung mit unseren steirischen Schecken-Ziegen auf dem Programm. Als weiteres Projekt für den Winter steht eine Umwidmung einer Hangfläche in eine sog. Streuobst-Arche an, hier können sich Interessierte an Landschaftspflege einführen lassen. Die Teilnahme an den Hoftagen ist kostenlos, wir freuen uns über Spenden.
Edith Herrmann, Engelwirth, Wörth 81, 8324 Kirchberg an der Raab, Tel. 0664 1800806
„Wir brauchen nur die Fixpunkte der Rhythmen, damit wir etwas dazwischen haben können.“ Rudolf Steiner