Text: Wolfgang Schaffer
Unser gesamter Erdenplanet ist von einer Hülle aus Luft umgeben. Diese im Verhältnis zum Erddurchmesser verschwindend dünne Decke ist unsichtbar und für das Leben auf der Erde unbedingt erforderlich. In diese Lufthülle geben die auf der Erde vorhandenen Lebewesen ihre Atemluft ab und aus ihr nehmen sie die ihnen lebensnotwendigen gasförmigen Substanzen auf. Dabei ergänzen sich die Pflanzen, Tiere und Menschen auf ganz wunderbare Weise. Was die Pflanzen ausatmen, dient den Tieren und Menschen zur Einatmung und umgekehrt. Das Leben in der Natur vollzieht sich in diesem existentiellen Rhythmus von Einatmen und Ausatmen. Sobald dieser Austausch der einzelnen Lebewesen mit der alles umgebenden Lufthülle aufhört, tritt nach kurzer Zeit der Tod für den betreffenden Organismus ein. «Einatmen…Ausatmen… Davor, dazwischen und danach ist Ruhe.» So könnte eine universelle Biographie der luftbedingten Lebensvorgänge auf der Erde im Kleinstformat geschrieben sein.
Elemente – Werden
Wenn man nun die Entstehungsgeschichte unserer Welt verstehen und erklären will, ergibt sich daraus ein bestimmter Ablauf der Ereignisse. Der naturwissenschaftlich vermutete Entwicklungsgang geht von einem schlagartigen Urbeginn aus, der sich über lange Zeiträume hin immer konkreter in Zusammenballungen und Verdichtungen von Materieteilchen manifestiert. Eine gewisse Anzahl von Elementen wird schließlich in mannigfaltigen Zusammensetzungen so fest und haltbar ineinander verbunden, dass sich daraus die mineralische Erdkruste bildet. Eine bestimmte Gruppe von Elementen verbleibt in einem unfesten, flüssigen Zustand und sammelt sich in und über die feste Erdoberfläche hin als Wasser. Es bilden sich Meere, Seen und Flüsse. Wieder andere Elemente dehnen sich über die ganze Erdoberfläche hin aus und mehren sich so zu einer Lufthülle, die unsichtbar und ungreifbar schließlich die Erde als Ganzes mit einer hauchdünnen Schicht umgibt. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich als Zusammenfassung die Ansicht, dass unsere Welt physikalisch gesehen aus den drei Elementen Erde, Wasser, und Luft besteht, die sich in fester, flüssiger und gasiger Art ausgestalten. Wärme wird von der heutigen Wissenschaft nicht mehr als Element bezeichnet. Sie lässt sich nicht so klar abgrenzen wie die anderen Elemente, da sie alles durchdringt. Es gibt ja zum Beispiel glühendes Eisen, siedendes Wasser und flimmernd heiße Luft. In all diesen Substanzen ist die Wärme wirksam, ohne selbst eine wahrnehmbare Substanz anzunehmen. Auch die weitere Entwicklung der Elemente ist bereits ersichtlich. Aus den Beobachtungen vergleichbarer Sonnensysteme im Weltall lässt sich vorhersagen, dass sich der heutige feste, flüssige, gasige Erdzustand in einer fernen Zukunft durch die große Nähe zu der dann sehr stark zu einem «roten Riesen» vergrößerten Sonne wieder in Wärme auflösen wird. Es gibt nun aus der Anthroposophie heraus eine ganz andere Ansicht der Entstehung und Entwicklung unserer heutigen Erde. Rudolf Steiner beschreibt in seinem Buch «Die Geheimwissenschaft im Umriss» ein Werden von Welt und Mensch, das existentiell und von allem Anfang an direkt miteinander verbunden ist. Der Mensch kommt dabei nicht irgendwann, irgendwie von irgendwoher in diese Welt plötzlich dazu. Er ist immer schon mitten in das Werden der Welt hineingestellt. Nur zeigt er sich erst ab einem bestimmten Entwicklungszustand in der Art und Form, wie wir uns heute als Menschen verstehen und in Erscheinung treten. Die anthroposophische Schöpfungsgeschichte beginnt mit einem Zustand, der aus reiner, in sich stark differenzierter Wärme besteht. Dieser Urzustand wird als «Alter Saturn» bezeichnet. Aus ihm entwickeln sich nach jeweils einer Durchgangsphase der völligen Auflösung die Elemente Licht und Luft, Wasser und Klang, Erde und Leben. Es kann hier nicht weiter auf diese höchst komplexen Schilderungen eingegangen werden. Hervorgehoben soll nur der gemeinsame Ursprung von Licht und Luft in einer urfernen Vergangenheit werden. Dieser Zusammenhang macht erst verständlich, was es mit dem an späterer Stelle beschriebenen Umschwung der Beziehung unserer Seelenkräfte zu Luft und Licht auf sich hat. Bedeutend ist vor Allem, dass die Entwicklung des Menschen aus dieser Perspektive von der Entwicklung des Erdenplaneten nicht getrennt werden kann. Dass wir heute so eingebettet in die uns umgebenden Naturreiche von mineralischer, pflanzlicher und tierischer Art leben können beruht aus dieser Sicht darauf, dass diese Naturreiche zuerst im Zuge der menschlichen Entwicklung aus ihm selbst abgesondert wurden. Mineralien, Pflanzen und Tiere dienen uns jetzt zum Aufbau, zur Ernährung und Erhaltung unserer leiblichen Existenz, weil wir durch sie etwas aufnehmen können, was als Teil unseres eigenen Wesens ursprünglich einmal mit uns verbunden war.
Luft war Seele
Wenn man aktuell über das Klima und somit die Lufthülle der Erde spricht, ist eigentlich immer das Gemenge von verschieden Gasen gemeint, die physikalisch nachweisbar in unserer Atmosphäre vorhanden sind. Dass diese Luft auch noch andere als physikalisch-chemische Eigenschaften haben könnte, kommt dabei nicht in Betracht. Wir genießen zwar die frische Luft am Meer oder in den Bergen und fühlen uns belebt, darüber hinaus wird aber nichts mehr qualitativ an dem Luftelement wahrgenommen. Das war den Aussagen Rudolf Steiners nach in früheren Zeiten der Menschheitsentwicklung durchaus anders. Für die Menschheit weit vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung konnte die Lufthülle der Erde von göttlichem Geist erfüllt erlebt werden. Sie fühlten sich durch die Aufnahme der Atemluft vereinigt mit der die Erde umgebenden Weltenseele. Ihre eigene Seele stand dadurch im direkten Austausch mit dem ursprünglichen Schöpfungsgeist. Rudolf Steiner nennt diese Art der Verbundenheit vom Mensch und Welt einen «Luftseelenprozess.» Diese Gewissheit des unmittelbaren Zusammenhanges mit der geistigen Welt musste allerdings im Verlauf der Bewusstseinsentwicklung der Menschheit immer mehr verlorengehen. Das Erleben einer uns nahtlos umgebenden, aber gleichzeitig ganz fremd erscheinenden äußeren Welt war die Voraussetzung zur Erlangung des heutigen menschlichen Ich-Bewusstseins. Die Entwicklung einer freien und somit selbstverantwortlichen Individualität machte die Trennung von der ursprünglichen göttlichen Welt unbedingt notwendig. Der «Luftseelenprozess» musste, durch eine neue Art der Integration von göttlichem Bewusstsein, in das nunmehr davon frei gewordene menschliche Ich-Bewusstsein ersetzt werden.
Licht wird Leben
Seit dem Mysterium von Golgatha ist es möglich, sich in völlig freilassender Art sich wieder mit der göttlichen Welt zu verbinden. Unter diesem «Geheimnis» ist ein Geschehen zu verstehen, durch das sich die geistige Welt in einer ganz neuen Weise mit der Erde und den auf ihr lebenden Menschenseelen verbunden hat. Es ist seither nicht mehr die Atemluft erfüllt von Göttlichkeit, sondern jede Sinneswahrnehmung, die den Leib des Menschen von außen berührt. Alles, was wir auf der Welt sehen, hören, riechen, schmecken, tasten… bietet uns jetzt die Möglichkeit, uns mit der Gotteswelt neu zu verbinden. Seit dem Mysterium von Golgatha ist die Christuswesenheit mit dem Erdenleib vereint. Mit der Aufnahme des Leibes und des Blutes des auf Golgatha Gekreuzigten in die Erdensubstanz ist diese Vereinigung unaufhaltsam in Gang gekommen. Die Christuswesenheit ist dadurch mittlerweile auch zum neuen Geist der Erde geworden. Wir finden den Christus dadurch sowohl in unseren Seelentiefen, soweit wir dort unser eigenes Ich durchdrungen von dem «Christus in uns» erfahren, als auch in der äußeren Natur. Durch alles, was sich seither im sinnlich wahrnehmbaren Bereich der Erde vollzieht, können wir in die Verbindung mit dem Christus kommen. Rudolf Steiner nennt diesen Vorgang der Wiedervereinigung von Mensch und Gottesgeist den «Lichtseelenprozess.» Das physisch wirksame Sonnenlicht wird hier stellvertretend für alle anderen Sinnesqualitäten genannt. Entscheidend ist dabei, was wir den von außen empfangenen Sinneseindrücken ganz eigenständig aus unserem Seeleninneren entgegenbringen. Wie sich der «Luftseelenprozess» mit der individuellen Ausatmung der von außen durch die Einatmung empfangenen göttlichen Seele vollendete, kommt es jetzt auf die bewusste seelisch-geistige Aktivität als Antwort auf die von außen empfangenen Sinneseindrücke an. Es gibt nämlich einen der Ein- und Ausatmung entsprechenden Prozess auch bei der sinnlichen Wahrnehmung. Jeder als «Einatmung» empfangene Sinneseindruck ruft das darauffolgende sich physiologisch im Körper vollziehende Nachbild als «Ausatmung» hervor. Richtet man zum Beispiel über einen längeren Zeitraum den Blick auf die Farbe «Rot» und schließt dann die Augen, so zeigt sich vor dem inneren Auge als Nachbild ganz intensiv die Gegenfarbe «Grün». An dieser Stelle liegt es nun an uns, die von Goethe dargestellte sinnlich sittlichen Wirkung der einzelnen Farben wahrzunehmen. Ein Ausspruch aus dem Johannesevangelium kann hier eine ganz neue Perspektive eröffnen. Christus sagt darin über sich selbst: «Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern der wird das Licht des Lebens haben» Man kann diese Aussage wörtlich nehmen. Dann ergibt sich konkret im Erleben einer Lichtwahrnehmung von außen die Begegnung mit dem als «Licht der Welt» wirkenden Christuswesen. Wer nun dieser Wahrnehmung «nachfolgt» in ihrer Wirkung auf unseren physischen Körper gelangt zur Erfahrung des der Lichtwahrnehmung antwortenden Nachbildes im eigenen Leib. So erlebt man sich dadurch als Schauplatz einer Christusbegegnung im Bewusstsein des eigenen Leibes. Der «Einatmung» des Christuslichtes von außen folgt als Ausatmung das physiologisch in mir entstehenden Nachbild des «Christus in mir» als das Licht des Lebens. Dazu kommt als das individuell Entscheidende noch meine persönliche Verstärkung und Bekräftigung des sich bis hierher ohne mein Zutun vollziehenden Geschehens. Aus der bisherigen Position des Beobachters gehe ich jetzt zur eigenen Aktivität über. Alles, was ich mit positiv gestimmten Gefühlen von Achtung, Bewunderung und Verehrung der Welt und dem Leben gegenüber innerlich bekräftige, schreibt sich durch mich dann auch ganz objektiv in das große «Buch des Lebens» ein. Meine Willenskräfte werden somit Teil des Weltgedächtnisses. Der gesamte Schulungsweg der Anthroposophie beruht darauf, den Wahrnehmungen der sinnlichen und geistigen Welt gegenüber innerlich aktiv zu werden. Es geht dabei darum, die den jeweiligen Wesenheiten und Situationen angemessenen geistigen Gedanken und Gefühle aktiv entgegenzubringen.
Erdenwelt und Geisterland
Es gibt in der Anthroposophie eine Ansicht, die besagt, dass die uns umgebende sichtbare Welt vergleichbar ist mit einem Stück Eis, das in dem umgebenden flüssig gebliebenen Wasser schwimmt. Gefrorenes Wasser erlangt die Festigkeit, die es sinnlich greifbar macht. Dieses Eis ist aber substantiell ident mit dem Wasser, aus dem es sich abgesondert hat. Daraus ergibt sich ein Bild aus der sinnlichen Welt, das in die Realität der geistigen Welt übertragen werden kann. Es gibt demzufolge in Ergänzung zur sichtbaren Erdenwelt eine Seelenwelt und ein Geisterland, aus denen heraus sich diese verfestigt hat. Wenn wir nun als Menschen über die Erscheinungen der Welt nachdenken, versenken wir uns durch das Denken in jenen seelisch geistigen Bereich, aus dem die sinnliche Welt durch Abkühlung und Verfestigung einst entstanden ist. Ein Ding verstehen heißt dann, es geistig wieder aufzuschmelzen und sich dadurch seiner innersten ursprünglichen Beschaffenheit erst ganz bewusst zu werden. Das in Rudolf Steiners Grundlagenwerk «Theosophie» beschriebene «Geisterland» ist der Bereich der geistigen Welt, in dem die Urbilder der physisch sichtbaren Welt beheimatet sind. Wir kommen als Menschenseelen aus diesem Bereich zu unserem Leben in einem irdischen Leib auf die Erde und kehren nach unserem Tod auf dem Weg durch die Seelenwelt wieder in das Geisterland zurück. Dort haben wir unsere wahre Heimat. In diesem Geisterland gibt es wie hier auf der Erde verschiedene Regionen. Es gibt einen Bereich, der unserer festen mineralischen Erde entspricht. Ein zweites Reich umfasst dort alles Fließende, Strömende. Es ist auf der Erde Ausdruck der Einheit alles Lebendigen. Darüber erstreckt sich im Geisterland der Luftkreis. In ihm sind alle Seelenregungen der Menschen als elementare Kräfte vorhanden. Die Regungen von Lust und Leid, Liebe und Hass zum Beispiel wogen dort als Bewegungen und Stürme im geistigen Luftelement dahin. Das Ideen- und Gedankenleben der Menschheit wird im Geisterland in Wärme ausgeprägt. Es gibt darüber hinaus noch drei weitere Regionen, aus denen sich die leitenden Impulse für die weitere Entwicklung von Mensch und Welt verwirklichen. Zieht man nun die Entsprechung des geistigen Luftkreises mit den Seelenregungen der Menschheit in Betracht, ergibt sich eine interessante Beziehung zu dem aktuellen Zeitgeschehen.
Seelenatem in Weisheitpuls
Es gibt seit einigen Jahren den Versuch, eine weltweite Klimakrise zu konstatieren. Das Wetter ändert sich dieser Ansicht nach in Folge menschlicher Betätigung auf der Erde. Ganz konkret wird die Zusammensetzung der Lufthülle durch den modernen Lebenswandel der Menschheit beeinflusst. In die Lufthülle der Erde, die einstmals den Menschen ihre göttliche Seelenhaftigkeit vermitteln konnte, sind mittlerweile andere Wesenheiten eingezogen. Die seelenleer gewordene Atemluft ändert ihre Zusammensetzung seit die Menschheit angefangen hat, eine Weltwirtschaft in großem Stil gezielt zu betreiben. Dadurch sind Wesenheiten wahrnehmbar geworden, die nun ihre Spuren im Lufthaushalt der Welt hinterlassen. Als Auswirkungen menschlicher Willenstaten werden sie immer stärker wahrnehmbar im Umkreis unserer Erde. Eine gewisse Angst macht sich zunehmend breit, dass wir als Menschheit selber an all dem Schaden nehmen, was wir der Natur durch unsere Lebensweise zufügen. Was dem unbedarften Egoismus und dem Recht des Stärkeren in einem kurzfristig profitableren Wirtschaftskreislauf entspringt, mündet schließlich in pure Angst um das eigene Leben. Diese Angst entsteht derzeit zum größten Teil nicht durch konkrete Wahrnehmungen in der äußeren Natur, sondern durch die prognostische Art, über diese Entwicklungen informiert zu werden. Das ist mittlerweile möglich, durch die globale Verbreitung von speziellen Informationen die Gefühlswelt der gesamten Menschheit in eine vorbestimmte Richtung zu lenken. Dieses seelische Klima der Angst vor dem Weltuntergang soll dazu führen, dass die Menschen ihre Lebensgewohnheiten ändern. In vielen Fällen führt diese Angst aber nicht zu einer positiven Änderung des Lebens, sondern zu einer seelischen Lähmung und in die Depression. Der Ausweg aus diesem Kreislauf kann gefunden werden, wenn man es sich zur Gewohnheit macht, sich nicht einfach ungeprüft den Gefühlen und Meinungen anzuschließen, die allgemein verbreitet werden. Viel günstiger ist es dem beschriebenen Lichtseelenprozess in seinem eigenen Alltag Raum zu schaffen. Die dunklen Wolken der Angst können nur durch jeden Einzelnen wieder aufgelöst und in Zuversicht verwandelt werden. Mitten in der trüben Bedecktheit des drohenden Unheils wird dann das Licht einer geistigen Sonne über all den Angstgefühlen sichtbar. Wärme und frohe Daseinsfreude kann sich dadurch wieder unter den Menschen auf der Erde ausbreiten. Das bewusste Wahrnehmen der Welt mit all ihren weisheitsvollen Vorgängen und Wesen wird schließlich ganz real zu der Begegnung mit dem immer stärker in die Wirklichkeit tretenden Christus als dem neuen «Geist der Erde» führen. Rudolf Steiner hat dazu ein Wahrspruchwort geschaffen, das dabei eine Hilfestellung geben kann.
«Die Welt im Ich erbauen, das Ich in Welten schauen
ist Seelenatem.
Erleben des All in Selbst-Erfühlung
ist Weisheitpuls.
Und Wege des Geistes im eignen Ziel beschreiben
ist Wahrheitsprache.
Und Seelenatem dringe in Weisheitpuls,
erlösend aus Menschengründen
die Wahrheitsprache
in Lebens-Jahres-Rhythmen.»