Waldorf in China

Derzeit gibt es ca. 80 Waldorfschulen und über 200 Waldorf-Kindergärten in China. Österreicher sind dabei unter der Schirmherrschaft des R. Steiner Seminars für Heilpädagogik und Sozialtherapie Wien im Einsatz. Im vergangen Sommer ging es um Musik.

Text: Hubert Steinkellner

Im vergangenen Sommer wurde ich mit der spannenden Aufgabe betraut, an drei chinesischen Waldorf-Institutionen je einen 10-tägigen Musik-Kurs für WaldorfLehrer/innen, -Kindergärtner/innen und auch interessierte Eltern zu halten.

Der Kurs fand unter der Leitung von Herrn Michael Mullan und unter der Schirmherrschaft des R. Steiner Seminars für Heilpädagogik und Sozialtherapie Wien statt und stellte bereits das vierte von sieben Modulen dar. Der gesamte Kurs gilt als Einstieg in die Waldorfpädagogik und anthroposophische Heilpädagogik.

Wir bereisten also für sechs Wochen China und hielten Kurse in Shen Zhen, Qingdao und Beijing. Herr Mullan erarbeitete mit den Teilnehmer/innen Grundlagenwerke wie R. Steiners Theosophie, sowie einzelne Vorträge aus der Allgemeinen Menschenkunde und dem Heilpädagogischen Kurs. Alle diese Werke liegen bereits in chinesischer Übersetzung vor und es war für mich erstaunlich, mit welch großem Schwung und Enthusiasmus sich die Waldorf-Bewegung in China entwickelt und mit welcher Ernsthaftigkeit diese Seminararbeit vorangetrieben wird.

Der chinesische Mittelstand ist verstärkt auf der Suche nach einem alternativen Schulsystem, das aus der Sackgasse von einseitiger Vermittlung von Faktenwissen und extremem Leistungsdruck herausführen kann. Seit gut 15 Jahren wachsen dort Waldorf- und Montessori-Einrichtungen.

Wie eine Wiederentdeckung

Derzeit gibt es ca. 80 Waldorfschulen und über 200 Waldorf-Kindergärten. In persönlichen Gesprächen mit Schulgründern und u. a. mit einem Verleger konnten wir erfahren, dass die Rückbesinnung auf die Traditionelle Chinesische Meditationspraxis sowie der gedankliche Überbau dazu (Buddhismus, die Lehren eines Kung Fu Tse und besonders Lao Tse) in vielfacher Weise mit einer anthroposophischen Weltanschauung in Einklang zu bringen ist. Viele Themen aus der Anthroposophie, die einen in westlich-materialistischen Denkmustern geprägten Menschen zunächst vor Fragen über Fragen stellen (wie Reinkarnation; Lebenskräfte-Leib; Leib – Seele – Geist – Verhältnis), werden von Menschen aus dem asiatisch-buddhistischen Kulturkreis als bereits bekannte Grundlagen wieder entdeckt.

Für mich war die Arbeit mit den Teilnehmer/innen besonders reizvoll, konnte ich doch vieles aus der Musikkultur Chinas aufnehmen. Ich erlebte einerseits das völlig natürliche Mitschwingen in der pentatonischen Improvisation, andererseits die große Innigkeit und Freude, mit der das mehrstimmige Singen als ein neues Erlebnis aufgenommen und praktiziert wird. Mir ist daraus auch die große Faszination, die Asien der europäischen Musikkultur entgegenbringt, verständlich geworden.

Daneben waren ganz konkrete methodische Fragen unser Thema. Wie kann man ein Lied anlegen, wie kann man es mit Begleitinstrumenten versehen; in welche Klassenstufe passt welches Lied. Wie kann ein Lied für eine inklusiv geführte Klasse gut zum Erleben gebracht werden? Die Teilnehmer/innen waren mit großem Eifer dabei, sie übten auch in den Pausen und natürlich wollten sie sofort jedes Stück aufnehmen, um es „gespeichert“ zu haben.

Zu guter Letzt waren es für mich neben den äußerst interessanten Eindrücken von Land und Leuten vor allem die menschlichen Begegnungen, die mich in diesen Sommerwochen reich beschenkt haben. Dabei haben sich auch Beziehungen ergeben, die weiter entwickelt werden wollen.

So hat Frau Melody Dan Zhao, die Leiterin der Waldorfschule Shen Zhen unsere beiden Schulen in Graz im Oktober für eine Woche besucht. Sie hat dabei nicht nur ein gutes Bild von unserer Schule gewonnen, sondern auch einen bleibenden Eindruck durch ihre Erzählungen und Gesangseinlagen bei Schüler/innen und im Kollegium hinterlassen. Des Weiteren hat Frau Li Mo, eine Musiktherapeutin aus einer heilpädagogischen Schule in Beijing, im November an unserer Schule hospitiert. Zu Ostern war ich zwei weitere Wochen in Shen Zhen, um an der Waldorfschule einen weiteren Musikworkshop für Eltern, Lehrer und Schüler zu geben. Der

Kontakt wird auch in Zukunft weiter gepflegt!

Hubert Steinkellner ist Klassenlehrer der Heilpädagogischen Unterstufe an der Karl Schubert Schule Graz

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