Geldschöpfung

Geldschöpfung in der weltweiten Finanzwirtschaft und die Geldschöpfung bei Rudolf Steiner.

Text: Rudi Neuwirt

Am 10. Juni 2018 entscheidet das Schweizer Volk über die sogenannte Vollgeld-Initiative, die eine radikale Reform des schweizerischen Währungssystems vorschlägt.

Heutzutage wird Geld nur zu einem kleinen Teil von den Nationalbanken geschaffen. Diese stellen Münzgeld und Banknoten her. Das ist das Geld, das als legales Zahlungsmittel im Umlauf ist. Die Summe dieses Geldes beträgt ca. 10 % der gesamten umlaufenden Geldmenge. Daneben entsteht das Giralgeld, indem eine Bank einen Kredit vergibt und dem Kunden den entsprechenden Betrag auf seinem Konto gutschreibt (Giralgeldschöpfung). Die Geschäftsbanken müssen für jeden Euro ihrer Kundeneinlagen einen gewissen Prozentsatz bei der Zentralbank in Form von Zentralbankguthaben halten. Bei der EZB beträgt der Mindestreservesatz derzeit 2 %. D. h. die Banken können für 2 € Einlage 100 € Kreditgeld schöpfen. Diese Geldschöpfung wird auch als Geldschöpfung aus dem Nichts bezeichnet, da die Banken über keinen entsprechenden Gegenwert verfügen müssen. Bei der Schweizer Initiative soll nur mehr die Nationalbank Geld schöpfen können, dieses geschöpfte Geld wird als Vollgeld bezeichnet.
Nicht nur Geschäftsbanken können Geld in fast beliebiger Höhe vermehren. Seit der Finanzkrise 2008 wir die Geldmenge weltweit immer mehr aufgebläht. Von 2014 bis Ende 2018 erzeugt die europäische Zentralbank ca. 2 Billionen €  als Buchgeld, das vor allem für den Ankauf von maroden Staatsanleihen in den Krisenländern der Eurozone verwendet wird.
Man kann sich eine Vorstellung von dieser Summe bilden, indem diese Summe durch die 330 Millionen Einwohner des Euroraumes dividiert wird. Jeder Bürger des Euroraumes würde ca. 6000 € erhalten, wenn dieses Geld als Banknotengeld in den Umlauf gebracht würde.

Doch Geld allein schafft weder Wachstum noch Wohlstand. Durch diese Mechanismen in der Finanzwirtschaft hat sich die Geldmenge immer mehr von den Wirtschaftsprozessen verselbständigt und führt ein Eigenleben, das der Wirtschaft und der Menschheit nicht mehr dienlich ist. In diesen Beispielen sieht man, wie das Geld nicht mehr in einem direkten Zusammenhang mit wirtschaftlichen Werten steht. Dadurch bekommt das Geld neben seiner wichtigen Funktion als Wertübertragungsmittel von wirtschaftlichen Leistungen eine weitere Funktion, die für den sozialen Organismus schädlich ist. Es ist Spekulationsmittel und  dient zur Vermehrung und Anhäufung von Geldkapital.

Einen völlig anderen Ansatz können wir in der Wirtschaftslehre Rudolf Steiners erkennen. In den Kernpunkten der sozialen Frage hat Rudolf Steiner den Menschen in den Mittelpunkt des sozialen Organismus gestellt.
„Was auf der Grundlage des Kapitals für den sozialen Organismus geleistet wird, beruht seinem Wesen nach auf der Art, wie die individuellen menschlichen Fähigkeiten in diesen Organismus eingreifen. Die Entwickelung dieser Fähigkeiten kann durch nichts anderes den ihr entsprechenden Impuls erhalten als durch das freie Geistesleben.“ 1
In der Betätigung des Kapitals im Wirtschaftsleben offenbart sich ein Teil des geistigen Lebens der darin tätigen Menschen. Der Begriff des Kapitals wird nicht in Verbindung  mit Geldwerten gebracht, sondern er bezieht sich auf die geistigen Fähigkeiten des Menschen. So kann man im Nationalökonomischen  Kurs lesen, dass „Kapital eigentlich verwirklichter Geist im volkswirtschaftlichen Prozess ist.“ 2

Im heutigen Wirtschafts- und Finanzsystem gibt es kein Maß für die geschöpfte Geldmenge.
Da gibt es  in der Steiner‘schen Wirtschaftslehre einen völlig anderen Ansatz.  Die geschöpfte Geldmenge wird an den Beginn der Wertschöpfung  gesetzt und verbleibt nicht als etwas Unbestimmtes.
„Und dass wir da nicht zu etwas zurückzugehen brauchen, was ein ganz Unbestimmtes ist, das werden Sie einsehen, wenn Sie eben zurückverfolgen alles bis zu demjenigen Wertverhältnisse, das für die Bodenarbeit herbeigeführt wird durch das Verhältnis der Bevölkerungszahl zu der brauchbaren Bodenfläche. In diesem Verhältnis finden Sie, was ursprünglich eben der Wertbildung zugrunde liegt, weil alle Arbeit, die verrichtet werden kann, nur von der Bevölkerungszahl kommen kann, und alles, womit sich diese Arbeit verbinden kann, aus dem Boden kommen muss; …“ 3

Auch wenn in der arbeitsteiligen Wirtschaft eine enorme Produktivität entsteht und die Naturwerte sich  in der Produktion durch das Kapital  in eine Vielfalt von Gütern verwandeln, der Ausgangspunkt  ist der Stoff, die Natur.  So hat bei Steiner das vorhandene Geld immer noch einen Bezug zur Natur, an der der Wirtschaftsprozess begonnen hat. Die Geldmenge wird jährlich neu bestimmt,  weil Bevölkerungszahl und Produktivität einem ständigen Wandel unterworfen sind, doch im Wesentlichen konstant gehalten. In dem von Steiner entworfenen Geldkreislauf muss sich das Geld wie alle anderen Güter abnützen.
„Wenn wir nun das Geld verwenden als ein Äquivalent im reinen Tausch, dann haben wir allerdings in dem Gelde gegenüber den verderblichen Gegenständen einen unreellen Konkurrenten, einen richtigen unreellen Konkurrenten, weil das Geld eben unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht zu verderben scheint – ich sage das ausdrücklich: nicht zu verderben scheint. “ 4
Das Kaufgeld bei Rudolf Steiner dient zum Austausch der Wertgüter des Konsums.
Doch das Geld hat, wenn man es in der Realität betrachtet, noch zwei weitere wichtige Funktionen. Damit das Kapital = verwirklichter Geist überhaupt in die Produktion eingreifen kann, muss das Leihgeld in die Zirkulation kommen. Ohne Leihgeld könnte der menschliche Geist sich nicht im Wirtschaftsleben verwirklichen. Die dritte wichtige Funktion des Geldes ist das Schenkgeld. Diejenigen Menschen im sozialen Organismus, die nicht in der Güterproduktion tätig sind, das sind alle Menschen, die immaterielle Bedürfnisse erfüllen -wie zum Beispiel Krankenbetreuer, Altenpfleger, Lehrer, Kulturschaffende – werden aus dem Mehrwert, der im Wirtschaftsleben entsteht, durch Schenkgeld bezahlt. Zu dieser Gruppe zählen auch Kinder, Familienangehörige, Alte und Kranke. Doch das Schenkgeld wird nicht durch Zwangsschenkungen in Form von Steuern eingehoben, die dann der Staat durch Transfers  an diese Bevölkerungsgruppe verteilt. Das Schenkgeld entsteht in den wirtschaftlichen Assoziationen, indem durch einen Wertausgleich die  Herstellungswerte in der Produktion und mit den Bedürfniswerten in der Konsumtion  der beteiligten Menschen verglichen werden.
Durch diese drei Funktionen des Geldes entsteht im Geldkreislauf ein Metamorphose-Geschehen, das dem einzelnen Menschen im volkswirtschaftlichen Sinne dienlich ist. Hier ist kein Platz  für eine unmäßige Vermehrung und Anhäufung von Geldkapital.

Kaufgeld - Leihgeld - Schenkgeld kleinDer Geldkreislauf bei Rudolf Steiner5

Quellenverzeichnis :

1Vgl. Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage, GA 23, S.99

2Vgl. Rudolf Steiner: Nationalökonomischer Kurs, GA 340, S. 107

3Vgl. Rudolf Steiner: Nationalökonomischer Kurs, GA 340, S. 212

4Vgl. Rudolf Steiner: Nationalökonomischer Kurs, GA 340, S. 174

5Vgl. Rudolf Steiner: Nationalökonomischer Kurs, GA 340, S.88

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