Themenreihe Ost-West Wien 2022

„Krieg und Frieden – Wie geraten wir in kleine und große Konflikte – und wie finden wir wieder heil heraus?” – Vortrag von Prof. Friedrich Glasl

– Text: Wolfgang Schaffer, Foto: Mark Freeth

Die auf Initiative der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft – Landesgesellschaft in Österreich zu Dreikönig eröffnete Themenreihe „Ost-West Wien 2022” konnte als ersten Vortragenden den international bekannten Konfliktforscher und Entwicklungsberater Prof. Dr. Friedrich Glasl aus Salzburg begrüßen. Dr. Glasl spannte vor den Zuhörern im voll besetzten Saal des KulturZeitRaumes im Haus der Anthroposophie in Wien einen weiten Bogen zum Thema Konfliktfähigkeit. „Krieg und Frieden – Wie geraten wir in kleine und große Konflikte – und wie finden wir wieder heil heraus?” war die im Untertitel enthaltene Fragestellung des Vortrages. Die Inhalte gingen von der Annahme verschiedener sozialer Ebenen im Mikro-, Meso- und Makrobereich aus, die sich im Zusammenhang von Konflikten gegenseitig bedingen und beeinflussen. Die Ausführungen bezogen sich im Wesentlichen auf die Prozess-Seite des Entstehens von Konflikten und Kriegen und deren Auflösung in Form von Friedensprozessen.

Krise: Spannung beeinträchtigt Selbststeuerung

Der Kern des Problems wurde darin beschrieben, dass in Krisensituationen durch Spannung und Stress die Selbststeuerung von Individuen und Gemeinschaft en beeinträchtigt wird und im Extremfall auch ganz verloren gehen kann. Archaische Affekte, primitive Triebe und Instinkte beherrschen dann Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen, Handeln von Individuen und ganzen Volksgemeinschaft en. Es vollzieht sich eine Regression in die elementaren Verhaltensmuster von Lähmung (freeze), Flucht (flight) oder Kampf (fight). Mechanismen des sogenannten „Schattens” oder „Doppelgängers” menschlicher Selbstbestimmung sind dann vor- herrschend. Der Schlüssel zur Lösung des Problems der Selbstaufgabe in dem dargestellten Zusammenhang ist zu- gleich auch das Ziel von effektiven und nachhaltigen Konfliktlösungen. Es besteht in der Wiedergewinnung der Selbststeuerung und der damit verbundenen Verantwortungsfähigkeit des einzelnen Menschen innerhalb der mit ihm verbundenen sozialen Gemeinschaft .

Raus aus der Gegner-Rolle

Als wichtiges Prinzip für De-Eskalation wurde vor- geschlagen, sich nicht so zu verhalten, wie dies im Teufelskreis der Konfliktpartner in seiner Rolle als Gegner erwarten würde. Positive Überraschungen können eingeschliffene Muster auflösen. Bei zunehmenden Spannungen gilt es, die Gespräche nicht abzubrechen,  sondern vielmehr weiterhin Gespräche zu suchen und sogar zu intensivieren. Wenn Konflikte bereits erheblich eskaliert sind und Teufelskreismechanismen die Kommunikation stören, sollte man sich nicht scheuen, Hilfe und Begleitung professioneller Drittparteien zu suchen. Nicht die Schuldzuschreibung in Form der Frage: „Wer hat zuerst begonnen?“ ist hilfreich, sondern die Erkenntnis: „Wodurch wird der Konflikt jetzt aufrecht erhalten?“ und: „Was ist mein Anteil daran?“ Konfliktfähigkeit beginnt mit einer Vertiefung der Selbsterkenntnis im Hinblick auf die eigenen Tendenzen, unter Spannung und Bedrohung eher gelähmt zu erstarren (freeze), die Flucht zu ergreifen (flight) oder sich dem vermeintlichen Gegner kämpfend (fight) entgegenzustellen. Diese persönlichen Tendenzen können dann durch spielerisches Üben in einem nächsten Schritt bereits im Keimzustand in sinn- volle, menschengerechte Handlungsstrategien um- gewandelt werden. Menschen, die gelernt haben, Konflikte zu überwinden, schon bevor sie sich mit Gewalt ihre Bahn brechen, stärken auch die Konfliktfestigkeit der Organisationen, in denen sie tätig sind. Dies fördert auch die Fähigkeit, Probleme in Kultur, Politik und Wirtschaft konstruktiv zu lösen. An einer Weiterführung der Themenreihe „Ost West-Wien 2022” am 5.1.2018 wird vonseiten der Landesgesellschaft in Österreich bereits gearbeitet.

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