Was sind Zukunftskompetenzen? Diese Frage wird immer wieder gestellt. Nicht selten mit der Erwartung, dann besonders futuristisch anmutende Namen genannt zu bekommen. Die Überraschung ist oft groß, wenn in der Antwort genau das liegt, was uns eigentlich am vertrautesten sein müsste – es aber dennoch nicht ist, ja sogar am weitesten entfernt scheint: wir selbst.
Unser Selbst ist der Schlüssel zu unserer Zukunft – und der Umgang mit ihm liegt nicht in einer Methode, sondern in unserer Erkenntnis. Aus dieser Basis heraus gilt es, selbst Strategien zu entwickeln, um souverän und flexibel auf unvorhergesehene Situationen reagieren zu können. Und dazu braucht es eindeutig Selbstkompetenz, die uns unseren Weg in die Zukunft erleichtert.
Die Arbeit am Selbst ist die soziale Schlüsselkompetenz der Zukunft
Und diese Arbeit war es in den letzten 13 Jahren, die mich ein systemisches Konzept als Orientierungshilfe in einer verwirrenden Zeit schaffen ließ: Den Zukunftskompass®.
Er zeigt uns, anstelle von Himmelsrichtungen, Kompetenzen an. Sie haben ihren ganz bestimmten Platz, entwickeln sich aus den vorhergehenden und stehen sich auch als spezielle Gegensätze in allen vier Bereichen unseres Lebens gegenüber: Uns selbst (Ich), unseren Beziehungen (Partnerschaft), unserem Beruf (Wirtschaft) und unserer Gesellschaft.
Dabei ist mir ein gewisser Idealismus wichtig, denn auch wenn eine große Vision unerreichbar scheint, so zeigt sie uns dennoch die Richtung und das nächste Ziel.
Wenn Sie diese Reise antreten, ist es Ihnen überlassen, ob Sie dazu 12 Tage, 12 Nächte, 12 Wochen, 12 Monate oder 12 Jahre brauchen. Denn im Vertrauen: Diese Reise ist niemals zu Ende. Jede abgeschlossene Runde im Kompass ist der Beginn einer neuen, die jedoch auf einem höheren Level stattfindet und eine Spiralbewegung nach oben entstehen lässt.
Aber bedenken Sie: Kompetenzen sind kein Wissen! Kompetenzen sind Handlungsfähigkeiten! Sichtbar werden sie erst dann, wenn es darauf ankommt! –und da leider am deutlichsten in Krisen.
- Selbstkompetenz – der Start und das Ziel zugleich
Der Startpunkt dieser Reise liegt also bei uns selbst. Hier ist die Basis, die Wurzel oder der Anker. Hier liegt unser größtes Mysterium und gleichzeitig die größte Freude, das Geheimnis unserer Stärke und unseres Wesens. Und hier finden wir all unseren Reiseproviant – die Idee unser selbst.
- Salutogenesekompetenz – die Weisheit unseres Körpers
Im Bewusstseinszeitalter braucht es auch einen anderen Umgang mit unserem materiellen Zuhause. Krankheiten und Heilmittel werden immer individueller und gelangen so in unsere eigene Verantwortung. Wir selbst müssen zunehmend über unseren Umgang mit Diagnosen und Therapien entscheiden. Und dazu braucht es Information und Wissen aus mehreren Erkenntnisquellen.
- Reflexionskompetenz – Ursachenforschung aus der Metaebene
Mit den ersten beiden Kompetenzen sind wir in der Lage in der Welt zu wirken. Wollen wir uns jedoch dabei auch entwickeln, hilft uns eine tägliche Reflexion, die uns ermöglicht, das Vergangene aus einer Metaebene zu betrachten und so daraus zu lernen. Dabei ist ein bewusstes Denken von Vorteil, denn es ermöglicht uns, logische Zusammenhänge zu erkennen, Ursachen zu finden und daraus die rechten Urteile zu bilden.
- Empathiekompetenz – Verstehen des Gegenübers
Wenn wir uns selbst besser verstehen, können wir auch andere besser verstehen. Wir erkennen, dass vieles in uns (fehl)interpretiert wird und üben uns im reinen Wahrnehmen des anderen ohne unsere Vorlieben und Abneigungen (Sympathie und Antipathie). Unser Gegenüber wird nicht nur materiell, sondern auch psychisch und geistig erfassbar.
- Ressourcenkompetenz – Wahrnehmung unseres Vermögens
Daraus erkennen wir unsere Ressourcen, unser Vermögen, innen wie außen. Das, was wir materiell und immateriell zur Verfügung haben, um in der Welt wirken zu können. Dabei ist entscheidend, dass wir damit sorgsam umgehen und auch die Ressourcen anderer wertschätzen und pflegen. Seien es die eines Unternehmens, einer Gemeinde oder die der ganzen Welt.
- Entscheidungskompetenz – Urteile für unsere Handlungen
Nun können wir uns Urteile erlauben – immer in dem Bewusstsein, welche Parameter, in uns selbst und von außen, dazu führen. Wir sind uns unserer Emotionen gewahr und haben sie reflektiert, sodass unser Urteil bewusst getroffen wurde. Wir müssen unsere Belange ordnen und nicht nur ihr generelles Vorhandensein, sondern ihre systemische Wirkung verstehen, um gut entscheiden zu können.
- Kooperationskompetenz – Perspektivenwechsel
Nun erkennen wir, was gute Kooperationen ausmacht: Ein Zusammenschluss auf Augenhöhe in aller Wertschätzung des Gegenübers. Jeder Mensch hat seine Sicht der Dinge und seine persönliche Weltanschauung, in deren Kenntnis wir nun ein Zusammenwirken vereinbaren können.
- Resilienzkompetenz – dynamisches Biegen ohne Brechen
Doch auch in den besten Kooperationen kommt es immer wieder zu Konflikten. Als größter Konflikt gilt eine Krise, die uns an unsere Grenzen bringt und alles hinterfragen lässt. Das ist nötig! Um zu wachsen. Wir lernen, mit Konflikten zurecht zu kommen, damit gut umzugehen und sie sogar zu nützen, um daraus stärker zu werden.
- Vielfaltskompetenz – Zusammenspiel der Möglichkeiten
Diese Zukunftskompetenz lässt uns unsere Ängste und damit unsere Scheuklappen ablegen und die vielfältigsten Möglichkeiten erkennen, die uns zur Verfügung stehen. Auf diese Weise verlieren wir Vorurteile gegenüber unbekannten oder andersartigen Menschen und Vorgehensweisen.
- Führungskompetenz – Steuerung aus der Metaebene
Wer sich in dieser Weise selbst führen kann, ist auch für andere ein Vorbild und damit eine Führungspersönlichkeit geworden. Jeder Mensch hat Führungsaufgaben: Als Elternteil, als Lehrer, als Kollege oder Freund; als Teil einer Gemeinschaft bis hin zu Unternehmen, Städten oder ganzen Ländern. Gute Führungskräfte sind leider noch selten, daher gilt es, in unserer Selbstführung nur jenen zu folgen, die hier kompetent sind.
- Erneuerungskompetenz – individuelle Innovation und Veränderung
Sowohl unsere eigene Weiterentwicklung als auch die einer ganzen Gesellschaft braucht immerwährende Innovation. Nicht (nur) im technologischen, sondern vor allem im sozialen Bereich! Derzeit sind wir genau hier gefordert und arbeiten leidvoll an einem „Mind-Shift“ – an einer Neuerkenntnis der Dinge, ihrer Zusammenhänge und Wirkung auf die ganze Menschheit.
- Freiheitskompetenz – die größtmögliche Verantwortung
Die Königsdisziplin, wie ich sie nenne. Hier übernehmen wir alle Verantwortung für uns selbst, die uns möglich ist. Wir werden uns unserer Abhängigkeiten bewusst und ändern daraus unser Weltbild und damit auch unser Selbstbild. Hier legen wir all unsere Masken ab.
Kreuzungspunkte & Gemeinsamkeiten
Die Anordnung der 12 Kompetenzen im Zukunftskompass® ergeben sechs Dualitäten bzw. Gegenpole, die uns bewusst machen, wie wichtig eine Balance zwischen ihnen ist. Jeder Pol kann zum Extrem werden und damit mehr schaden als nützen. Nur unser Bewusstsein kann sie in der Waage halten.
Bei der Orientierung in dieser Welt – denn ein Kompass zeigt nie nach oben oder unten, sondern immer nur horizontal in eine Richtung – sehe ich nur dann eine Zukunftschance, wenn wir uns als eine einzige Menschheit verstehen, die diesen einen Globus bewohnt und sich auf Augenhöhe begegnet. Wenn wir die hier beschriebenen 12 Zukunftskompetenzen leben, führt das unweigerlich zu einem friedlichen Umgang mit uns selbst und allen anderen. Je mehr Menschen zukunftskompetent werden, desto mehr verstehen wir uns als Weltbürger und übernehmen für unsere Handlungen die dafür notwendige globale Verantwortung.
Die Praxis
Vor diesem Zusammenhang sind Zukunftskompetenzen Fähigkeiten, die das eigene Selbst in allen gesellschaftlichen Bereichen zum Ausdruck bringen. Unser Individualismus fordert und fördert neue soziale Beschäftigungsformen und bringt eine neue Kultur der Selbstständigkeit mit sich. Unsere Arbeitsbiografien werden, dem eigenen Selbstverständnis gemäß, eigenständig immer wieder neu zusammengebaut, und ein zunehmender Rollenpluralismus zwingt uns, die eigene Identität immer wieder neu zu gestalten.
In meinen Coachings und Workshops arbeite ich genau an diesem Ansatz. In Gruppen zum Beispiel ist eine Vorgangsweise, die 12 Zukunftskompetenzen als Bodenanker im Raum zu verteilen. Klienten begegnen ihnen, lesen die jeweiligen Stichwörter und Themen, spüren hin und nehmen mit all ihren Sinnen wahr.
Welche Kompetenz zieht mich an? Welche Kompetenz ist mir vertraut? Und welche fehlt mir meiner Meinung nach?
In einem nachfolgenden gestalttherapeutischen Prozess erfahren wir jede Kompetenz in ihrem Ausdruck und Wirkung auf unser Leben. Sie gibt uns Antworten in situativen Problemstellungen und zeigt uns Wege zur Lösung.
Cornelia Scala-Hausmann, Counselor für Zukunftskompetenz
www.zukunftskompass.at
Mehr dazu im Buch, inklusive Studien, Best Practice und Selbsttests:
myMorawa-Verlag, 3. Auflage 2020,
Seitenanzahl: 308, ISBN: 978-3-99110-366-0